© John Wessels, HI
Hintergrund & Geschichte
Warum „Leave no one behind”?
Menschen mit Behinderungen machen etwa 15% der Weltbevölkerung aus, und jüngste zuverlässige Daten aus Konfliktgebieten wie Syrien zeigen sogar eine Prävalenz von 29%. Viele Studien zeigen, dass Menschen mit Behinderungen in humanitären Kontexten einem unverhältnismäßig hohen Risiko von Gewalt, Missbrauch und Tod ausgesetzt sind, während der Zugang zu humanitären Diensten und Schutz oft deutlich schlechter ist als für Menschen ohne Behinderungen.
Inklusive humanitäre Hilfe ist ein Menschenrecht, das in Artikel 11 der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) verankert ist. Um wirklich "niemanden zurückzulassen", sollten humanitäre Maßnahmen diejenigen erreichen, die sie am dringendsten benötigen, einschließlich Menschen mit Behinderungen.
Aus dieser Verantwortung heraus förderte das Auswärtige Amt seit 2016 das gemeinsam von uns und der Christoffel-Blindenmission Christian Blind Mission e.V. (CBM) implementierte Projekt „Leave no one behind! Kapazitäten-Aufbau für deutsche Akteure der humanitären Hilfe zum Mainstreaming von Behinderung“. Das Phase 1 wurde im August 2018 nach zwei Jahren erfolgreich beendet und ein Nachfolgeprojekt, Phase 2 begann im September 2018.
In Phase 2 (2018-2021) wurden die Aktivitäten zum Kapazitätsaufbau und zur Sensibilisierung der deutschen humanitären Akteure und ihrer lokalen Partner weitergeführt, aber auch angewandte Begleitforschung integriert. Diese wird vom Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht (IFHV) der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt. Darüberhinaus wurde in Phase 2 die Fertigstellung und Verbreitung der Leitlinien des Ständigen interinstitutionellen Ausschusses der Vereinten Nationen (Inter-Agency Standing Committee - IASC) zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen in humanitäre Hilfe maßgeblich unterstützt.
Das aktuelle Projekt baut auf den Ergebnissen, Erfahrungen und Lehren der vorangegangenen zwei Phasen auf. In Phase 3 werden wir die Operationalisierung der IASC Leitlinien zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der humanitären Hilfe durch weiterer Kapazitätsaufbaumaßnahmen, die Entwicklung von Arbeitshilfen und den Aufbau von lokalen, fachlichen Unterstützungs- und Einsatzkapazitäten, sowie eine verbesserte Datenlage durch angewandte Forschung voranbringen.
Zu diesem Zweck arbeiten wir nicht nur auf deutscher und globaler Ebene zusammen, sondern auch direkt in sechs Pilotländern: Somalia und Somaliland, Südsudan, Uganda, Kamerun, Niger und Nigeria.
Der Übergang von Phase 1 zu Phase 3
Ein kurzer Exkurs:
Warum wir dazu verpflichtet sind, die Bedarfe von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen
Am 29. März 2009 ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Deutschland in Kraft getreten. Im allgemeinen Sprachgebrauch als UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) bezeichnet.
Die UN-BRK ist das erste Rechtsinstrument, dass die universellen Menschenrechte für Menschen mit Behinderungen konkretisiert. Das Grundverständnis der UN-BRK ist die Inklusion von Menschen mit Behinderung, d.h. die voll- und eigenständige aber auch chancengleiche Teilhabe an der Gesellschaft.
Die Achtung der Würde, die Nichtdiskriminierung und die Zugänglichkeit von Leistungen spielt gerade in Gefahrensituationen und humanitäre Notlagen eine wichtige Rolle. Die Vertragsstaaten müssen daher im Einklang mit weiteren rechtlichen Verpflichtungen alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um den Schutz und die Sicherheit von Menschen mit Behinderungen in bewaffneten Konflikten, humanitären Notlagen und Naturkatastrophen zu gewährleisten, Artikel 11 der UN-BRK.
Deutschland und die vom deutschen Auswärtigen Amt finanzierte humanitäre Hilfe ist daher dazu verpflichtet, die Belange und Bedarfe von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen.