Interessensvertretung

Offener Brief anlässlich der Neuregelung des Staatsangehörigengesetzes

Sehr geehrter Herr Beeck,

Sehr geehrter Herr Demir,

Sehr geehrter Herr Mehmet Ali,

Sehr geehrte Frau Polat,

Sehr geehrte Frau Rüffer,

Sehr geehrter Herr Tomae,

aktuell arbeiten Sie daran, das Staatsangehörigenrecht neu zu regeln. Dabei drohen zwei Gruppen vergessen zu werden: Menschen mit Behinderung und ihre pflegenden Angehörigen. Gemeinsam wenden wir uns mit der Bitte an Sie, die spezifischen Bedarfe von Menschen mit Behinderung und ihrer pflegenden Angehörigen bei der geplanten Gesetzesänderung zu berücksichtigen. Im derzeitigen Gesetzesrahmen ist dies nicht ausreichend der Fall. In dem am 15.05.23 veröffentlichte Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts“ geraten Menschen mit Behinderung und pflegende Angehörige nun völlig in Vergessenheit. Es droht eine massive Diskriminierung beider Gruppen.

Geflüchtete Menschen mit Behinderung und ihre pflegenden Angehörigen sind bei der Beantragung der deutschen Staatsbürgerschaft mit großen Problemen konfrontiert. Die für eine Einbürgerung zu erbringenden Voraussetzungen der Lebensunterhaltssicherung sowie des Spracherwerbs sind sowohl für Menschen mit Behinderung als auch für ihre pflegenden Angehörigen oft nicht erfüllbar. Dies liegt u.a. daran, dass sie beim Zugang zum ersten Arbeitsmarkt auf Barrieren stoßen, bedarfsgerechte und inklusive Integrationssprachkurse kaum zur Verfügung stehen und die Pflege von Angehörigen mit Behinderung große Herausforderungen mit sich bringt.

Ausländerbehörden gehen in vielen Fällen von der gesundheitlichen Situation von Antragssteller*innen und ihrer theoretischen Erwerbsfähigkeit aus. Vorhandene Barrieren beim Zugang in den ersten Arbeitsmarkt werden dabei oft übersehen. Das hat z.B. Auswirkungen auf Personen, die zwar erwerbsfähig, aber auf einen Rollstuhl angewiesen sind und deren Bewerbungen auf Grund fehlender Barrierefreiheit potentieller Arbeitsplätze oft nicht berücksichtigt werden. Der Arbeitsmarktzugang vieler Menschen mit Behinderung wird zusätzlich durch ein für sie lückenhaftes Sprachkursangebot erschwert. Integrationssprachkurse für seh- und hörbeeinträchtigte Menschen sind in vielen Bundesländern nicht vorhanden. In Deutschland gibt es bisher keine Integrationssprachkurse für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung.

Die herausfordernde Situation pflegender Angehöriger findet weder im aktuellen Gesetzesrahmen, noch in dem nun vorgestellten Gesetzesentwurf Berücksichtigung. Die Pflege von Angehörigen ist oft sehr anspruchsvoll und benötigt viel Kraft und Zeit. Pflegenden Angehörigen fehlt meist die Kapazität, um Vollzeit zu arbeiten. Das führt dazu, dass sie ihren eigenen Lebensunterhalt oft nicht sichern können und auf Sozialleistungen angewiesen sind. Die Pflege von Angehörigen wirkt sich auch auf den Besuch von Sprachkursangeboten und das Erlernen der deutschen Sprache (mit dem erforderlichen Lernziel B1) aus. Pflegende Angehörige werden so benachteiligt und ihre gesellschaftlich wertvolle und anspruchsvolle Tätigkeit abgewertet.

Der bestehende gesetzliche Rahmen (§10 StAG) zur Einbürgerung berücksichtigt die besondere Situation beider Gruppen nicht ausreichend. Bestehende Ausnahmen für Menschen mit Behinderung beziehen sich in erster Linie auf die Anforderungen beim Spracherwerb (§10 Abs. 6 StAG). Bei Fragen der Lebensunterhaltssicherung ist das Gesetz bereits vage. So ist eine Inanspruchnahme von Sozialleistungen unschädlich, wenn der Antragsteller diese „nicht zu vertreten hat“ (§10 Abs. 1. StAG). In einem nun veröffentlichten Gesetzesentwurf wird diese Formulierung vollständig gestrichen. In der Folge haben Menschen mit Behinderung und pflegende Angehörige, wenn sie auf den Erhalt von Transferleistungen angewiesenen sind, keinen Rechtsanspruch auf den Erhalt einer Staatsbürgerschaft. Das stellt eine grundsätzliche Diskriminierung dieser Personengruppen dar. Für sie bleibt nur die unsichere Möglichkeit der s.g. Ermessenseinbürgerung zur „Vermeidung einer besonderen Härte“. (§8 Abs. 2 StAG). Die angestrebte neue Gesetzeslage stellt eine massive Diskriminierung von Menschen mit Behinderung und auch vieler ihrer pflegenden Angehörigen dar.

Was muss sich ändern?

Wir appellieren an Sie: Berücksichtigen Sie im Zuge der Neuregelung des Staatsangehörigengesetzes die tatsächliche Lebenssituation geflüchteter Menschen mit Behinderung und ihrer pflegenden Angehörigen und stoppen Sie die drohende Diskriminierung.

  1. Menschen mit Behinderung müssen vom Nachweis der Lebensunterhaltssicherung (§10 Abs. 2 Nr. 3) ausgenommen werden.
  2. Auch Menschen, die auf Grund einer familiären Pflegetätigkeit auf Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII angewiesen sind, müssen vom Nachweis der Lebensunterhaltssicherung (§10 Abs. 2 Nr. 3) ausgenommen werden. Pflegende Angehörige sollten außerdem von der Verpflichtung zum Nachweise des Erreichens des Sprachlernziels B1 ausgenommen werden. So wird Pflege als wichtige Arbeit gewürdigt und eine Benachteiligung auf Grund einer familiären Pflegetätigkeit vermieden.

 

Dr. Inez Kipfer-Didavi
Handicap International e.V.

 

NOW! Nicht Ohne das Wir

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Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen dürfen bei der anstehenden Neuregelung des Staatsangehörigenrechts nicht vergessen werden.
Darauf machen wir als Handicap International gemeinsam mit der Selbstvertretungsgruppe NOW! Nicht Ohne das Wir in einem offenen Brief an die behinderungspolitischen Sprecher*innen und die jeweiligen Berichterstatter*innen der Regierungsfraktionen aufmerksam.

Der gesetzliche Rahmen (§10 StAG) zur Einbürgerung berücksichtigt beide Gruppen nicht ausreichend. Insbesondere pflegende Angehörige werden zu wenig bedacht. Diese können auf Grund anspruchsvoller Unterstützung und Pflege von Familienangehörigen oft keiner Vollzeitbeschäftigung nachgehen. Das führt dazu, dass sie die Voraussetzungen für eine Einbürgerung, wie Lebensunterhaltssicherung oder Spracherwerb auf B1 Niveau, in vielen Fällen nicht erfüllen. Pflegende Angehörige werden auf diese Weise benachteiligt und ihre gesellschaftlich wertvolle Tätigkeit nicht ausreichend anerkannt.

Menschen mit Behinderung werden ebenfalls bei Fragen der Einbürgerung noch zu wenig wahrgenommen. Barrieren beim Zugang in den ersten Arbeitsmarkt spielen bei der Bewertung, ob eine Ausnahme beim Kriterium der Lebensunterhaltssicherung vorgenommen wird, eine oft zu geringe Rolle.

Deshalb weisen wir in dem offenen Brief darauf hin, dass im Zuge der Neuregelung des Staatsangehörigengesetzes die tatsächliche Lebenssituation geflüchteter Menschen mit Behinderung und vor allem ihrer pflegenden Angehörigen berücksichtigt werden muss:

Ende Mai werden wir den offenen Brief verschicken. Bis dahin möchten wir möglichst viele Mitzeichner*innen gewinnen.

Unterstützen Sie dieses Anliegen, indem Sie den Brief mit zeichnen!

1) Füllen Sie das Formular aus (oben)
2) Wenn der Name öffentlich angezeigt werden soll, dann kreuzen Sie das entsprechende Kästchen an
3) Ihre Mitzeichnung ist gültig, wenn Sie eine Bestätigung per Mail erhalten haben
4) Die Daten werden nur an die Adressaten des Briefes weitergegeben und nur für den hier genannten Zweck gespeichert. Sollten Sie Interesse an weiteren Informationen aus unserer Arbeit an der Schnittstelle Flucht und Behinderung haben, abonnieren Sie unseren Newsletter
5) Ein Monat nach Abschluss der Unterschriftensammlung (31.05.2023) werden sämtliche Daten gelöscht

Raúl Aguayo-Krauthausen
Sozialheld*innen

Prof. Dr. Swantje Köbsell
Universität Bremen

Kai Weber
Flüchtlingsrat Niedersachen

Dr. Peyman Javaher-Haghighi
Bundesverband Netzwerke von Migrant*innenorganisationen

Nadja Körner
InterAktiv

Inas Sharif
NOW! Nicht Ohne das Wir

Christian Lüder
Berlin hilft

Jacqueline Grommisch
Beratungsstelle für Menschen mit Behinderung DPBV

Sanabel Schwake
NOW! Nicht Ohne das Wir

Nivin Almousa

Jennifer Buhla
vkm Hamm

Nicolay Büttney
Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen (BNS)

Daniela Groksch

Miman Jasharovski

Yvonne Wechuli
Universität Kassel

Claudia Dürnberger

Roberto Alborino

Micheal Steinmeyer

KypeeBa Bepa

Hanna Tykhonkova

Marita Blessing

Tatjana Grabienski
BZSL

Claudia Rinn

Ulrike Hemp

Yana Gospodinova

Falko Behrens

Markus Ernst

Matthias Renner

Rosily Eisenhofer

André Neutag

Mohammad Sulaiman

Johanna Rothe

Amin Abbasi

Lena Raisdanai

Roya Bockhorst

Mustafa Saleh

Aisha Abdo

Bianca Weigelt

Merle Ebner von Eschenbach

Zoe Seybold

Lena Fondel

Cordula Fechtner-Ngakegny

Juna Frost

Paul Thoß

Claudia Zimmermann

Clara Hoffmann

Sebastian Simon

Joshua Böhm

Ricarda Cloesen

Claire Pereira

Laila-Sophie Eben

Anika Zierlein

Isabella Marko

Laura Compostella

Anja Jedmovski

Dipl.-Psych Rebecca Maskos
Universität Bremen

Prof. Dr. Annette Korntheuer
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

Prof. Dr. Theresia Degener
Evangelische Hochschule Bochum

Bassam Dawood

Alexander Schwartz

Dinah Radtke

Eva Andrades
Antidiskriminierungsverband Deutschland

Pawel Mehring

Dr. Ingrid Andresen-Dannhauser

Werner Wörder
Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten (DVBS)

Ulrike Seemann-Katz
Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern

Johanna Grenz

Mustafa Saleh
NOW! Nicht Ohne das Wir

Feras Fayyad

Marisa Fey

Wolfgang Jungheim

Dr. Eva Maria Fischer

Haya Aljendi

Doro Buchweitz

Sabine Klemm

Andrea Schmidt

Jana Burmeister
Offener Dialog

Heiner Hoymann

Antje Büsch

Dinah Christine Radke

Sarah Baumgart

Olga Gerstenberger
With Wings and Roots

Amiri-Reible David
Yaar

Monika Popp

Hai Van Trinh

Dipl. Päd. Marion Rüdinger

Nele Westerholt
EUTB Ammerland

Anand Narayana Perumal 

Sylvia Habel-Schljapin
DMSG Berlin

Danny Lutzemann
Kohsie Diversity Buchhandlung

Sidra Darwish

Aisha Abdo

Romy Stewart

Andrea Holzner

Jasmin Henkel

Britta Helm

Mila Drescher

Juna Frost

Martin Manasek

Eva Grünebaum

Anne Frericks

Sophia Vogt

Elisa Schäfer

Lucia Gauss

Rolf Barthel

Lara Schölldorf

Tara Neuhaus

Claudia Wegmann

J. Vanessa Logassi

Marx Nele

Ottmar Miles-Paul
LIGA Selbstvertretung

Prof. Dr. Matthias Otten
TH Köln

KuB - Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen

Rezan Shekh Muslim 
NOW! Nicht Ohne das Wir

Sophia Neidhardt
CampusAsyl

Sevgi Bozdağ
InterAktiv

Yildiz Akgün
MINA - Leben in Vielfalt

Dr. med. Walter Kemlein

Prof. Dr. Carla Wesselmann

Kati Vortmann
EUTB Saalekreis/Mansfeld-Südharz (vsbi)

Maria Stehler

Amelia Massetti
Artemisia - Inklusion für alle

Ulrich Mauer
Lebenshilfe Schleswig-Holstein

Samah Al Shagdari

Alisar Hasan

Nabiha Ghanem

Heiko Habbe

Andre Thiel

Susanna Saxl-Reisen

Atershan Taleb

Liubov Mazdor

Abdulkader Aloubice

Detlef Sonnenberg

Rashed Ilyas

Annika Fiege

Tanja Schulz

Jessica Schröder

Johanna Boettcher

Benny Tröllmich

Andrea Rausch

Iuliia Derbenova

Jago Schulan

Dr. Sabine Speiser
Sprungbrett Zukunft Berlin

Christina Brandl

Shiar Ali

Azar Azarbod

Tatiana Meleshenko

Adrian Pourviseh

Galavij Zakeri-Markner

Avin Am

Eyaz Muhamad

Annalisa Weyel

Saskia Wilmes

Larissa Manasek

Charleen Gericke

Caroline Waniek

Melissa Pohli

Judith Klein

Johanna Evers

Nicolas Dams

Catherina Fechner

Elisa Schäfer
Seebrücke Stuttgart

Heinrike Muth

Simone Beege

Bernadette Tusch
Institut für angewandte Kulturforschung

Wer sind wir?

Handicap International

Handicap International (HI) ist eine gemeinnützige Organisation für Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Sie unterstützt weltweit Menschen mit Behinderung und besonders Schutzbedürftige.

Mit dem Arbeitsbereich Crossroads | Flucht. Migration. Behinderung. setzt sich Handicap International für eine Verbesserung der Lebensumstände geflüchteter Menschen mit Behinderung in Deutschland ein.

Mehr zur Arbeit von HI

Geflüchtete mit Behinderung stehen jeden Tag vor Barrieren. Aber Barrieren grenzen Menschen aus, weil sie ihre Teilhabe einschränken. Die Selbstvertretung „NOW! Nicht Ohne das Wir“ möchte diese Barrieren abbauen.

„NOW! Nicht Ohne das Wir“ setzt sich für die Inklusion von Geflüchteten mit Behinderung ein. Sie sollen zu Deutschland dazugehören. Außerdem sollen sie ein selbstbestimmtes und menschenwürdiges Leben führen. Das ist das Ziel von „NOW! Nicht Ohne das Wir“.

Mehr zur Gruppe NOW! Nicht Ohne das Wir

NOW! Nicht Ohne das Wir

Kontakt

Ihre Ansprechpartnerin

Bei Fragen zum offenen Brief kontaktieren Sie bitte:

Nastassja Herrmann
Projektkoordinatorin Informationsmaterialien

E-Mail: n.herrmann@hi.org
Mobil: +49 (0) 160 2356384