Stellungnahme von Handicap International e.V. zu den Gesetzentwürfen des Bundesinnenministeriums anlässlich der Umsetzung der GEAS-Reform in Deutschland

29. Oktober 2024

In der vergangenen Woche endete die Beteiligung der Verbände und zivilgesellschaftlichen Organisationen im Gesetzgebungsverfahren zu den Referenten-Entwürfen des Bundesinnenministeriums, die die Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems (GEAS) in nationales Gesetz umsetzen sollen. Die Entwürfe umfassen ein GEAS-Anpassungsgesetz und ein GEAS-Anpassungsfolgegesetz. Im Rahmen der Verbändebeteiligung hat Handicap International e. V. zu den Entwürfen Stellung genommen.

Die im Juni 2024 verabschiedete Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), die ab Sommer 2026 in Kraft treten soll, markiert in Deutschland die bedeutendste Änderung des Asylrechts seit dem Asylkompromiss 1993. Angesichts der Tragweite dieser Reform haben Handicap International e. V. und 27 weitere Bundesorganisationen die Bundesregierung bereits im Juli 2024 aufgefordert, die nationalen Spielräume im Sinne der Grund- und Menschenrechte bestmöglich zu nutzen. Dies ist mit den vorliegenden Gesetzentwürfen nicht geschehen.

Handicap International e. V. kritisiert scharf, dass in den Entwürfen wesentliche Aufnahme- und Versorgungsgarantien für vulnerable Personen, wie Menschen mit Behinderung, trotz klarer Vorgaben aus der neuen EU-Aufnahme-Richtlinie (RL (EU) 2024/1346) fehlen. Optionale Möglichkeiten für Verschärfungen in den europäischen Rechtstexten, vor allem in den Bereichen Haft und Leistungsrecht, wurden hingegen weitreichend in nationales Recht übernommen. Diese Verschärfungen bedeuten für besonders schutzbedürftige Gruppen wie Menschen mit Behinderung absehbar eine verstärkte Ausgrenzung sowie eine Zunahme psychischer und vor allem struktureller Gewalt, wenn sie in ihrer Bewegungsfreiheit beschränkt, inhaftiert oder von Leistungen wie Pflege, Hilfsmitteln, Physio- und Psychotherapie ausgeschlossen werden.

Vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) sind die Entwürfe für ein GEAS-Anpassungs- und ein GEAS-Anpassungsfolgegesetz nicht tragfähig. Handicap International e. V. fordert daher dringend umfängliche Nachbesserungen, insbesondere in den folgenden Punkten:

  1. Die Verpflichtung zur Identifizierung von besonderen Schutz- und Aufnahmebedarfen muss bundesgesetzlich verankert werden. Sie ist geteilte Aufgabe zwischen Bund und Ländern (Stellungnahme, S. 7 ff.).
  1. Die sich aus der Aufnahme-Richtlinie in Verbindung mit der UN-BRK ergebenden Versorgungsansprüche geflüchteter Menschen mit Behinderung müssen vollständig umgesetzt werden (Stellungnahme, S. 12 ff.).
  2. Die neu eingeführte Bewegungsbeschränkung und die Regelungen zu Migrationshaft sind zu streichen (Stellungnahme, S. 18 ff.).

Die vollständige Stellungnahme sowie das zivilgesellschaftliche Prioritätenpapier vom Juli 2024 stehen zum Download zur Verfügung. Die Referentenentwürfe können auf der Website des BMI heruntergeladen werden.

Dokumente zum Download

Stellungnahme von Handicap International e. V. zu den Referentenentwürfen eines GEAS-Anpassungsgesetzes und eines GEAS-Anpassungsfolgegesetzes

Zivilgesellschaftliches Prioritätenpapier zur GEAS-Umsetzung

Weiterführende Links

Link zu den Referentenentwürfen auf der Webseite des BMI

Kontakt

Sophia Eckert

Referentin politische Arbeit – Flucht und Migration, Crossroads Handicap International e.V.,  so.eckert@hi.org

Rouven Brunnert

Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Crossroads Handicap International e.V., r.brunnert@hi.org