Fachpolitische Jahreskonferenzen

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Fachpolitische Jahreskonferenz Flucht, Migration und Behinderung 2024: Inklusion ist ein Menschenrecht: Wie sichern wir die Rechte geflüchteter Menschen mit Behinderung in Deutschland?

*** [Українська версія нижче] & [اللغة العربية أدناه] ***

Datum: 6. November 2024
Ort: Französische Friedrichstadtkirche, Gendarmenmarkt, Berlin

Das vergangene Jahr war geprägt von zahlreichen Veränderungen und Diskussionen, die die Rechte und Teilhabe geflüchteter Menschen in Deutschland betreffen. Verschärfungen im Asylbewerberleistungsgesetz, ein härteres Abschiebungsrecht, die Reform des Einbürgerungsrechts, zunehmend prekäre Unterbringungssituationen und der eingeschränkte Zugang zu bedarfsgerechten Sprach- und Integrationskursen sind nur einige der Themen, die die gesellschaftliche Debatte und den politischen Prozess bestimmten. Hinzu kommen Fragen zur Situation ukrainischer Geflüchteter sowie die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und deren Umsetzung in Deutschland.

Schätzungen zufolge haben 10 bis 15 Prozent aller Geflüchteten eine Behinderung, unter den ukrainischen Geflüchteten ist dieser Anteil sogar noch höher. Die Entwicklungen des letzten Jahres betreffen daher auch und in besonderem Maße geflüchtete Menschen mit Behinderung, die ohnehin mit erheblichen Teilhabebarrieren und Hürden bei der Wahrnehmung ihrer Rechte konfrontiert sind und eine eigene, intersektionale Form von Diskriminierung erfahren.

Diskussionspunkte der Konferenz:

  • Inwiefern werden die Rechte geflüchteter Menschen mit Behinderung derzeit eingeschränkt?
  • Welche politischen und rechtlichen Entwicklungen gab es an der Schnittstelle Flucht, Migration und Behinderung in diesem und letzten Jahr und was ist für nächstes Jahr zu erwarten?
  • Welche Auswirkungen haben die gesellschaftlichen Debatten über Zugehörigkeit, in denen die Gleichberechtigung aller Menschen offen infrage gestellt wird, auf geflüchtete Menschen mit Behinderung?
  • Wie kann die Beratung zu sozial- und aufenthaltsrechtlichen Fragen für geflüchtete Menschen mit Behinderung verbessert werden?
  • Was können wir als Gesellschaft tun, um Barrieren abzubauen, die Menschen mit Behinderung und Fluchterfahrung von gleichen Chancen ausschließen?

Diese und wei­tere Fragen möchten wir gemeinsam mit Ihnen und der Evan­ge­li­schen Aka­demie zu Berlin bei unserer dies­jäh­rigen, kos­ten­freien Jah­res­kon­fe­renz diskutieren. Die Ver­an­stal­tung richtet sich an Fachakteur*innenVer­treter*innen aus Ver­wal­tung und Politik sowie Selbstvertreter*innen und soll die unter­schied­li­chen Per­spek­tiven an der Schnitt­stelle Flucht, Migra­tion und Behin­de­rung zusam­men­bringen. Unser gemein­sames Ziel ist es, Wege zur Ver­bes­se­rung der Lebens­si­tua­tion und Teil­habe geflüch­teter Men­schen mit Behin­de­rung in Deutsch­land zu finden.

Anmelden können Sie sich über unsere Webseite oder direkt über die Anmel­de­seite der Evan­ge­li­schen Akademie. Sollten Sie sich bereits ange­meldet haben, ist eine wei­tere Anmel­dung nicht notwendig.

Details zum Ablauf und den Refe­rent*innen finden Sie im Programm (barrierefreies PDF). Sollten sich Ände­rungen ergeben, wird das Pro­gramm auf dieser Web­seite aktua­li­siert. Wir freuen uns auf Ihre Teil­nahme und den gemein­samen Austausch.

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an veranstaltung@hi.org. Einen mög­li­chen Unterstützungs-​ oder Assis­tenz­be­darf können Sie bei der Anmel­dung zur Ver­an­stal­tung angeben.

Ein kleiner Hin­weis: Das Gebäude ist bar­rie­re­frei zugäng­lich. Aller­dings befindet sich der­zeit eine Bau­stelle in der Umge­bung. Sollten die Bau­ar­beiten bis zur Ver­an­stal­tung andauern, werden wir kurz vorher auf dieser Web­seite über bar­rie­re­freie Zugangs­wege informieren.

[العربية]

المؤتمر السياسي السنوي حول النزوح والهجرة والإعاقة 2024: الشمول حق من حقوق الإنسان: كيف نضمن حقوق اللاجئين ذوي الإعاقة في ألمانيا؟

التاريخ: 6 نوفمبر 2024
الموقع: كنيسة فرانزوسيشه فريدريششتادت (Französische Friedrichstadtkirche) في شارع جيندارمينماركت (Gendarmenmarkt) ببرلين

طغت على العام الماضي العديد من التغييرات والنقاشات، التي كان لها تأثير على حقوق اللاجئين ومشاركتهم في ألمانيا. فتشديد قانون إعانات طالبي اللجوء، وصياغة قانون ترحيل صارم، وإصلاح قانون التجنيس، وأوضاع الإسكان غير المستقرة على نحو متزايد، ومحدودية الوصول إلى دورات اللغة والاندماج القائمة على الاحتياجات، ليست سوى بعض الموضوعات التي هيمنت على النقاش الاجتماعي والعملية السياسية. وهناك أيضًا أسئلة حول وضع اللاجئين الأوكرانيين، بالإضافة إلى إصلاح نظام اللجوء الأوروبي المشترك وتطبيقه في ألمانيا.

تُشير التقديرات إلى أن 10 إلى 15 بالمئة من اللاجئين يعانون من إعاقة، حتى أن هذه النسبة أعلى بين اللاجئين الأوكرانيين. ومن ثم فإن التطورات التي حدثت في العام الماضي تُؤثِّر أيضًا بشكل خاص على اللاجئين ذوي الإعاقة، الذين يُواجِهون بالفعل عوائق كبيرة أمام المشاركة، وعقبات أمام ممارسة حقوقهم، ويواجهون شكلاً متعدد الجوانب من أشكال التمييز.

نقاط النقاش في المؤتمر:

ما حجم القيود التي تُكبِّل حقوق اللاجئين ذوي الإعاقة حاليًا؟

ما التطورات السياسية والقانونية التي حدثت على صعيد النزوح والهجرة والإعاقة هذا العام والعام الماضي، وما الذي يمكن توقعه في العام المقبل؟

ما تأثير النقاشات الاجتماعية حول الانتماء -التي يتم فيها التشكيك علانيةً في المساواة بين الناس كافة- على اللاجئين ذوي الإعاقة؟

كيف يمكن تحسين المشورة بشأن القضايا الاجتماعية وقضايا قانون الإقامة، من أجل اللاجئين ذوي الإعاقة؟

ما الذي يستطيع مجتمعنا فعله لكسر الحواجز التي تُقصي ذوي الإعاقة ومن مروا بتجربة النزوح من تكافؤ الفرص؟

نودُّ مناقشة هذه الأسئلة وغيرها معكم ومع الأكاديمية الإنجيلية في برلين، في مؤتمرنا السنوي المجاني هذا العام. وتستهدف هذه الفعالية المتخصصين وممثلي الإدارات والسياسات وكذلك من يُمثِّلون أنفسهم، والغرض منها الجمع بين وجهات النظر المختلفة حول واجهة النزوح والهجرة والإعاقة. هدفنا المشترك هو إيجاد طرق لتحسين الوضع المعيشي، وتحسين مشاركة اللاجئين ذوي الإعاقة في ألمانيا.

يمكنك التسجيل عبر موقعنا الإلكتروني أو مباشرةً عبر صفحة التسجيل في الأكاديمية الإنجيلية. إذا كنت قد سجلت بالفعل، فليس من الضروري القيام بتسجيل آخر.

يمكن العثور على تفاصيل حول جدول الأعمال والمستشارين في البرنامج (ملف PDF يَسهُل الوصول إليه). يُحدَّث البرنامج على هذا الموقع الإلكتروني، في حالة وجود أي تغييرات. نتطلع إلى مشاركتك، وتبادل الأفكار معك.

في حالة وجود استفسارات، يرجى التواصل عبر veranstaltung@hi.org. يمكنك الإشارة إلى أي حاجة للدعم أو المساعدة عند التسجيل في هذا الفعالية.

ملاحظة صغيرة: المبني يتيح دخول ذوي الإعاقة بسهولة. ومع ذلك، يوجد حاليًا موقع بناء في المنطقة المحيطة. إذا استمرت أعمال البناء حتى موعد الفعالية، فسنُقدِّم معلومات حول سهولة وصول ذوي الإعاقة على هذا الموقع الإلكتروني قبل وقت قصير.

"(Un)sichtbar. Geflüchtete Menschen mit Behinderung in Deutschland." - Ein Rückblick auf die Fachpolitische Konferenz am 14.12.2023

Angesichts aktueller migrationspolitischer Gesetzgebungsprozesse suchten Selbstvertreter*innen, Fachverbände, Beratungsstellen und politische Akteur*innen gemeinsam nach einer möglichen Verbesserung der Lebenssituation geflüchteter Menschen mit Behinderung.

Am 14.12.2023 luden Handicap Internaional e.V. und die Evangelische Akademie zu Berlin zur fachpolitischen Konferenz zum Thema (Un)sichtbar. Geflüchtete Menschen mit Behinderung in Deutschland ein.

Zentrale Themen umfassten:

  • Die politische Entwicklung der Migrationspolitik
  • Das Gesetzgebungsverfahren zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts
  • Strukturelle Problemstellungen an der Schnittstelle Flucht und Behinderung
  • Lebensrealitäten und Erfahrungsberichte
  • Von den Vereinten Nationen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention erhobene Kritikpunkte

Impulsvortrag

Die Veranstaltung wurde von Dr. Susanne Schwalgin, Handicap International e.V. und Dr. Max Oliver Schmidt, Evangelische Akademie zu Berlin moderiert. In seinem die Konferenz einleitenden Grußwort machte der Bundesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung, Jürgen Dusel, auf Benachteiligungen und Diskriminierung aufmerksam, denen Menschen mit Behinderung durch die Migrationsgesetzgebung ausgesetzt sind und kritisierte in diesem Kontext u.a. das Gesetzgebungsverfahren zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts. Menschen mit Behinderung und pflegende Angehörige, die ihren Lebensunterhalt nicht selbstständig vollumfänglich sichern können, erhalten auf Grund der Streichung einer entsprechenden Ausnahmeregelung eine Staatsbürgerschaft nunmehr nur noch in Härtefällen.

Erfahrungsberichte

Valeriia Polishchuk berichtete von der Situation ihres aus der Ukraine geflüchteten Großvaters, der durch einen Schlaganfall in Deutschland erblindete. Sie beschrieb Schwierigkeiten in den Bereichen Wohnen, Pflege, Mobilität und Kommunikation, sowie fehlende Informationen über das Gesundheitssystem oder Ansprechpartner für Menschen mit Behinderung. Abschließend machte sie auf die Überlastung der Sozialämter und sich dadurch verzögernde Leistungen aufmerksam.

Mohammed Jolos Erfahrungsbericht beleuchtete bürokratische und soziale Hindernisse, mit denen er seit seiner Flucht aus Syrien in Deutschland konfrontiert wurde:

"Ich finde, es ist sehr wichtig, mehr Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Dafür bedarf es Gesetzesänderungen und Ausnahmeregelungen, die es Menschen mit Behinderungen ermöglichen, einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten und eine bessere Zukunft für sich selbst aufzubauen."

Podiumsgespräch

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion diskutieren Corinna Rüffer, Wolfram Buttschardt und Kerstin Becker ausgehend von den Bemerkungen des UN-Fachausschusses über die bestehenden Problemlagen und die Möglichkeiten für strukturelle Verbesserungen für geflüchtete Menschen mit Behinderung.

Die Teilnehmer*innen des Gespräches diskutierten die drohenden Auswirkungen der aktuellen Gesetzgebungsprozesse auf Menschen mit Behinderung. Angesichts der sich verhärtenden Debattenlandschaft stellten sich die Teilnehmenden die Frage, wie die Bedarfslagen von Menschen mit Behinderung sichtbarer gemacht werden und wie eine größere Öffentlichkeit für die drohenden Menschenrechtsverletzungen und entstehenden Ungerechtigkeiten im migrationspolitischen Bereich erzeugt werden kann.

Fachvortrag

Die Präsentation der durch das Deutsche Rote Kreuz durchgeführten Bedarfserhebung Ungesehen?! Geflüchtete Menschen mit Behinderungen in Deutschland gab Einblicke in die Lebenswirklichkeit geflüchteter Menschen mit Behinderung und dahinterliegende strukturelle Problemstellungen an der Schnittstelle Flucht und Behinderung. Einige der angesprochenen Themen wurden anschließend im Rahmen von fünf Workshops vertieft.

Ausstellung

Die Foto-Ausstellung erschüttert - Einschläge, die alles ändern von Till Mayer und Handicap International dokumentierte das Grauen des Krieges für die Zivilbevölkerung. Doch trotz ihrer Schicksalsschläge sind die porträtierten Menschen nicht selten Mutmacher*innen.

Viel gibt es zu tun, einiges wurde erreicht – ein Rückblick auf die Vernetzungskonferenz 06.12.2022

In einer großen Onlinekonferenz am 6. Dezember 2022 blickte Handicap International gemeinsam mit Betroffenen, Politiker*innen und Organisationen der Behindertenhilfe auf das Fluchtjahr 2022 zurück. Millionen Ukrainer*innen hatten ihr Land verlassen, davon vermutlich ein Zehntel mit einer Behinderung.

Zentrale Fragen der Konferenz „Was können wir aus der Aufnahme geflüchteter Menschen mit Behinderung aus der Ukraine für die Inklusion geflüchteter Menschen in Deutschland lernen? Erfahrungen – Herausforderungen – Lösungswege“ waren beispielsweise:

  • Wie erging es den Geflüchteten mit einer Behinderung, die nach Deutschland gekommen waren?
  • Wie engagierten sich Organisationen der Behindertenhilfe für die Geflüchteten?
  • Wie blickt die Politik auf den Aufnahmeprozess in Deutschland?
  • Und welche – dies war die Leitfrage der Konferenz – Erfahrungen mit der Aufnahme geflüchteter Menschen mit einer Behinderung lassen sich für die Aufnahme anderer geflüchteter Menschen mit Behinderung nutzbar machen?

Erfahrungsberichte

Die Konferenz begann mit den Erfahrungsberichten von drei geflüchteten Menschen, die selbst eine Behinderung haben, oder deren Angehöriger eine Behinderung hat.

Impulsvorträge

In zwei Impulsvorträgen zu politischen Handlungsfeldern und Verbesserungsbedarfen kamen Jürgen Dusel, der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, und Staatsministerin Reem Alabali-​Radovan, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und Beauftragte für Antirassismus zu Wort. Jürgen Dusel sprach über die fehlenden Identifizierungsverfahren bei der Ankunft geflüchteter Menschen mit einer Behinderung in Deutschland und deren Notwendigkeit, er lobte das zivilgesellschaftliche Engagement und wies auf erste Verbesserungen bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen hin.

Staatsministerin Reem Alabali-​Radovan bedankte sich zuerst für das zivilgesellschaftliche Engagement. Wie Jürgen Dusel bemängelte sie die unzureichende Identifizierung der Bedarfe vulnerabler Gruppen unter den Geflüchteten. Sie wünschte sich, dass geflüchtete Menschen mit Behinderung bessere Zugänge zu wichtigen Leistungen erhalten und unterstrich die Bedeutung von Qualifizierung als wichtige Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe.

Podiumsgespräch

Im Podiumsgespräch diskutierten die Politiker*innen Takis Mehmet Ali, MdB (SPD-​Fraktion im Bundestag), Muhanad Al-​Halak, MdB (FDP-​Fraktion im Bundestag), Corinna Rüffer, MdB (Bündnis 90/Die Grünen – Fraktion im Bundestag) sowie Wolfgang Rombach (Bundesministerium für Arbeit und Soziales) mit Harald Löhlein, Abteilungsleiter Migration beim Paritätischen Gesamtverband und Prof. Dr. Gerhard Trabert von Ambulanz ohne Grenzen die Frage:

„Zehntausende Menschen mit Behinderung aus der Ukraine fliehen 2022 nach Deutschland – Welche Erkenntnisse ergeben sich für eine Aufnahme geflüchteter Menschen mit Behinderung und ihrer Angehörigen in Deutschland?“

Eine ausführliche Vorstellung der Diskussion folgt in der Dokumentation zur Konferenz Anfang 2023.

Vorstellung ausgewählter Initiativen

Am Nachmittag stellten sich Initiativen und Organisationen vor, die bei der Evakuierung, Unterbringung, Beratung und Unterstützung geflüchteter Menschen mit Behinderung aus der Ukraine und darüber hinaus tätig sind. Sie berichteten von der Ankunft der Menschen, von den Herausforderungen bei der Aufnahme, von dem, was die Einrichtungen für die Aufnahme bereitstellen konnten.

Die Konferenz endete mit einem Blitzlicht auf die Workshops, die kurz zuvor in break out rooms stattgefunden hatten, und einer Zusammenfassung des Tages.

Die gesamte Konferenz sowie weiterführende Informationen veröffentlicht Crossroads im neuen Jahr.

Mehr Unterstützung für geflüchtete Menschen mit Behinderung in Deutschland auf fachpolitischer Online-​​Tagung gefordert am 09.06.2021

Expert*innen und Selbstvertreter*innen diskutierten am 9. Juni mit Vertretern und Vertreterinnen einiger Bundestagsfraktionen über die vielfältigen Probleme und Herausforderungen geflüchteter Menschen mit Behinderung in Deutschland. Ziel der fachpolitischen Tagung „Inklusion: eine Frage des Aufenthaltstitels? Geflüchtete Menschen mit Behinderung zwischen Asyl- und Teilhaberecht“ war nicht nur der Austausch über die zahlreichen Barrieren und über den Bedarf an Unterstützung, sondern auch die Debatte über konkrete Forderungen für die politische Agenda der Bundestagswahl 2021. Organisiert wurde die Online-​Tagung mit rund 350 Teilnehmenden aus dem ganzen Bundesgebiet von Crossroads | Flucht. Migration. Behinderung., einem Projekt von Handicap International e.V.

In seinem Grußwort zu Beginn der Veranstaltung machte Jürgen Dusel, der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, deutlich: „Geflüchtete Menschen mit Behinderungen haben besondere Bedarfe. Dies gilt nicht nur für das Asylverfahren, die Unterbringung und medizinische Versorgung, sondern auch für den Spracherwerb, für Schule und Ausbildung. Konkret geht es um Teilhabeleistungen und behinderungsbedingte Nachteilsausgleiche. Deshalb ist es sehr wichtig, dass besonders schutzbedürftige Personen frühzeitig systematisch identifiziert werden und passgenaue Angebote erhalten.“

Tagtägliche Herausforderungen

Geflüchtete Menschen mit Behinderung machen in Deutschland häufig die Erfahrung, zwischen den Stühlen zu sitzen. Ihre Belange und Bedürfnisse treffen oft auf Zurückweisung, Überforderung oder Ausgrenzung. Die Geschäftsführerin von Handicap International e.V. Dr. Inez Kipfer-​Didavi verdeutlichte spezifische Herausforderungen, denen geflüchtete Menschen mit Behinderung tagtäglich in Deutschland gegenüberstehen. Dazu zählen:

  • eine fehlende systematische Identifizierung des Unterstützungsbedarfs bei der Erstaufnahme
  • zu wenig Berücksichtigung von behinderungsspezifischer Unterstützung im Asylverfahren
  • ein nicht vorhandenes Angebot von Sprachkursen für Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung
  • der erschwerte Zugang zu Teilhabeleistungen
  • eine nicht garantierte Finanzierung von Dolmetschleistungen, insbesondere im Gesundheitswesen

Gemeinsam für einen positiven Wandel

Folgende Bundestagsabgeordnete diskutierten mit Expert*innen über die Bedürfnisse von geflüchteten Menschen mit Behinderung:

  • Wilfried Oellers, Behinderungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion,
  • Sören Pellmann, Behinderungspolitischer Sprecher der Die Linke-Fraktion
  • Corinna Rüffer, Behinderungspolitische Sprecherin der Bündnis 90/Die Grünen-Fraktion.

Die Teilnehmer*innen setzten sich nicht nur mit den spezifischen Herausforderungen für Menschen mit Beeinträchtigungen wie Seh- und Hörbehinderungen oder kognitiven Einschränkungen auseinander, sondern auch mit dem Zugang zu medizinischer Versorgung und Teilhabeleistungen. Dieser wird insbesondere durch das Asylbewerberleistungsgesetz und das SGB IX (§100 SGB IX) empfindlich eingeschränkt. Darüber hinaus stärkte die fachpolitische Tagung die Zusammenarbeit der bundesweit engagierten Selbstvertreter*innen, Berater*innen, Rechtsvertreter*innen, Interessensvertreter*innen und Ehrenamtlichen.

Die Dokumentation der Fachtagung finden Sie hier.

Erfahrungen der Selbstvertretenden

Für die fachpolitische Online-​Tagung wurden drei Videos von geflüchteten Menschen mit Behinderung und ihren Angehörigen aufgenommen, in denen die Selbstvertretenden des Projekts „Empowerment Now“ von den unterschiedlichen Barrieren berichten, mit denen sie in Deutschland konfrontiert worden sind:

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Geflüchtete Menschen mit Behinderung haben in den ersten achtzehn Monaten ihres Aufenthaltes in Deutschland nur Anspruch auf die sogenannten Grundleistungen. Der Zugang zu wichtigen medizinischen Angeboten sowie zu Teilhabe-​​ und Eingliederungsleistungen bleibt den Betroffenen versagt.

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Obwohl sie durch die EU-​Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU dazu verpflichtet sind, identifizieren die Bundesländer bei der Ankunft Geflüchteter mit Behinderung die für Behinderte spezifischen Schutz-​ und Unterstützungsbedarfe nicht systematisch. In der Folge werden Geflüchtete zu wenig berücksichtigt und bleiben unsichtbar – sowohl bei ihrer Unterbringung als auch bei der Vermittlung spezifischer Beratungsangebote, aber auch bei der Bereitstellung notwendiger Unterstützung und Assistenz im Asylverfahren. Weil Unterstützungsbedarfe nicht systematisch ermittelt werden, wird die Feststellung von Versorgungslücken enorm erschwert.

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Das Integrationskursangebot des Bundes ist eine Grundlage für die gesellschaftliche Teilhabe geflüchteter Menschen. Für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung gibt es bisher keine Sprachkurse. Auch für andere Arten von Behinderung ist das Integrationskursangebot zu klein. Somit bleiben den Betroffenen verschiedene Wege der Inklusion verwehrt, zum Beispiel die Teilhabe am Arbeitsmarkt.