Der Informationsbedarf ist sehr groß – Rückblick auf eine Infoveranstaltung für geflüchtete Ukrainer*innen

Am Ende waren es dann doch 340 Teilnehmende bei der Informationsveranstaltung „Mit einer Behinderung in Deutschland: Was sind meine Rechte? Wo bekomme ich Hilfe? Austausch für Menschen mit Behinderung aus der Ukraine“ am 22. Juni 2022.

Geflüchtete Menschen aus der Ukraine, die zum Teil selbst eine Behinderung haben oder von denen ein Angehöriger betroffen ist. Vertreter*innen von EUTBs (Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung – EUTB) aus ganz Deutschland, mehrere Redner*innen und natürlich die Organisator*innen, zum Beispiel Karsten Dietze und Caroline Still von Handicap International (Moderation, technischer Support, Betreuung des Chat) und Thomas Künneke und Emine Kalali von der ISL und Mitbetreiber von hilfsabfrage.de trafen sich im virtuellen Raum, die einen, um zu informieren, die anderen, um Antworten auf ihre drängendsten Fragen zu bekommen, wie sie in Deutschland Unterstützung erhalten für ihre ganz individuellen Ausgangslagen.

Der Chat zeigt: Der Informationsbedarf ist sehr groß

Gleich nach der Begrüßung erreichen die Fachkräfte viele Fragen, vor allem über den Chat. Die Geflüchteten fragen auf Ukrainisch und Russisch, die Dolmetscher*innen übertragen ins Deutsche und die deutschen Antworten ins Ukrainische und ins Russische. Für die gehörlosen Anwesenden übersetzen Gebärdendolmetscherinnen das gesprochene Wort. Digitale Meetings ermöglichen so viel mehr als in den Zeiten vor der Pandemie – auch wenn man sich daran fast kaum noch erinnern kann. 

Die Fragenden beschäftigten höchst unterschiedliche Anliegen

Einige Auszüge aus dem sehr lebendigen Austausch:

Wer hilft Menschen mit einer Sehbehinderung bei Antragstellung oder Arztbesuch?

Ottmar Miles-Paul von der LIGA Selbstvertretung, ist seit Jahrzehnten in der deutschen und internationalen Behindertenvertretung engagiert. Er spricht über die Institutionen, die für die Beantragung von Leistungen zuständig sind: Sozialamt, Krankenkassen, Wohlfahrtsverbände. Sein Tipp – und damit adressiert er den Fragenden: 

Je besser man informiert ist, je besser man sich hat beraten lassen, desto leichter erhält man eine Leistung: Beantragt man eine Wohnung, muss man als behinderter Mensch sagen, was man braucht. 

Miles-Paul weist explizit auf die Beratungsleistungen der EUTB hin und unterstreicht deren Bedeutung für das erfolgreiche Ankommen in Deutschland. Auch im Chat besprechen die Anwesenden das Thema EUTB und deren Beratung. 

Wie kann ich mit einer Einschränkung mein Studium in Deutschland fortsetzen und Deutsch lernen?

Hier weiß eine der Dolmetscher*innen: An den Universitäten helfen Beratungsstellen, dort gibt es auch Sprachkurse.

Mein Bruder ist schwerbehindert (ICP), wir leben in Halle, bekamen Leistungen nach SGB XII, aber das Sozialamt hat gesagt, dass mein Bruder erwerbsfähig sei, er müsse erst für erwerbsunfähig erklärt werden, daher sei das Jobcenter zuständig, das die Erwerbsunfähigkeit prüfen muss,

schildert eine Angehörige ihr Problem. Andere berichten: Die Behörde hat ihr Kind mit Down-Syndrom für die Sonderschule vorgesehen. Die Eltern aber möchten das Kind inklusiv beschulen:

Wie kann das umgesetzt werden?

Die Fragende wird auf das Down-Syndrom-Bündnis Ukraine hingewiesen (https://ds-buendnis-ukraine.de).

Zwei Kinder, ein 8-jähriges Kind mit schwerer Behinderung, der Vater braucht eine Beratung.

Wo bekomme ich die Beratung und wer ist für die Rehabilitation zuständig?

Die Familie wohnt in Itzehoe, Ottmar Miles Paul weist auf Beratungsstellen in Hamburg hin.

Stellt das JobCenter eine Schwerbehinderung fest?

Nein, das ist nicht Job des JobCenters, sondern der Versorgungsämter. Zweierlei sei wichtig: den Antrag mit einer Beratungsstelle zusammen ausfüllen – und kämpfen!

Fachleute helfen mit zielgerichteten Informationen

Die Teilnahme an dem Onlinetermin, den Handicap International und ILS organisiert haben, hat sich vollauf gelohnt. Die überwiegend vor dem Krieg in der Ukraine geflüchteten Teilnehmer*innen erhielten von Klaus Förster, Rechtsanwalt in Berlin, umfassende Informationen über Teilhabeleistungen, die Gesetzeslage und den Rechtskreiswechsel. Karsten Dietze macht auf Beratungsstellen aufmerksam, zum Beispiel die der Lebenshilfe und der Caritas. 

„EUTBs beraten auf Augenhöhe“

Jenny Bießmann von akse e. V. empfiehlt dringend die Beratung der EUTBs: „Gehen Sie in eine EUTB-Stelle, lassen Sie sich beraten und bei Anträgen unterstützen und vernetzen Sie sich!“ Auch würden die EUTB bei der Hilfsmittelbeantragung helfen, sie berieten auf Augenhöhe und zu Rechten geflüchteter Menschen mit Behinderung. Sie gäben Rat und Orientierung, damit die Geflüchteten gut und sicher in Deutschland ankommen. Nachdem sie das Konzept „Peer Counseling“ vorgestellt hat, weist Bießmann darauf hin, dass die EUTB eine Rechtsberatung nicht ersetzen können. 

Veranstaltungshinweis

Schon steht eine weitere Onlineveranstaltung für Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, an. Hier finden Sie die Einladung und Sie können sich hier anmelden.