- Übersicht Roadbox
- Grundlegende Informationen zur Lebenssituation geflüchteter Menschen mit Behinderung
- Grundlegende Informationen zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung
- Flucht | Asylverfahren | Erstaufnahme | Sammelunterkünfte | Identifizierung
- Leitfaden zur Beratung geflüchteter Menschen mit Behinderung (Nachschlagewerk von Gag/Weiser)
- Handlungsoptionen für geflüchtete Menschen mit Behinderung und deren Berater*innen
- Spracherwerb und Sprachmittlung für geflüchtete Menschen
- Lokale Beratungsangebote zu Flucht und Behinderung (Karte)
- Empowerment von Geflüchteten mit Behinderung
- Erfahrungsbericht: Ein langer Weg zur Teilhabe
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- Gesammelte FAQs
- Impressum Roadbox
Inhaltsverzeichnis
Achtung Disclaimer!
Der Inhalt dieser Website wird zeitnah an die gesetzlichen Änderungen durch das sog. Rückführungsverbesserungsgesetz angepasst, das am 27.02.2024 in Kraft getreten ist. Eine Übersicht einiger Änderungen finden Sie hier.
Gesammelte FAQs
FAQ Identifizierung der Behinderung eines geflüchteten Menschen
Bei der Erstaufnahme erfolgt keine bundesweit systematische Identifizierung der Behinderung. Berlin, Brandenburg und Niedersachsen nutzen ein strukturiertes Modell für die Identifizierung, in anderen Bundesländern verweisen die zuständigen Behörden auf die Sprechstunden des Sozialdienstes oder auf externe Strukturen und in Bayern, Sachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein gibt es keine Methode für die Identifizierung.
Einen guten Überblick über den Stand der Identifizierung in den Bundesländern und die jeweilige Problematik bietet die Studie „Identifizierung besonderer Schutzbedürftigkeit am Beispiel von Personen mit Traumafolgestörungen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF). Die Ergebnisse gelten größtenteils auch für Menschen mit Behinderung.
Die Identifizierung nichtsichtbarer Behinderungen ist eine Herausforderung. Bewährt haben sich die Washington Group Questions, die seit 2004 weltweit in zahlreichen Ländern für die Identifizierung einer Behinderung eingesetzt werden. Handicap International empfiehlt den Fragebogen für die Identifizierung einer Behinderung in Deutschland. Allerdings geben die Washington Group Questions nur Hinweise, sie ersetzen keine umfassende Diagnostik.
Die meisten Behörden verlangen zur Feststellung ein ärztliches Gutachten. Es sollte von Fachärzt*innen erstellt werden. Wichtig ist die Nennung einer Diagnose nach den ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health). Das ärztliche Gutachten kann durch ein heilpädagogisches Gutachten ergänzt werden, das auf Teilhabebarrieren hinweist. Hierfür gibt es keine besondere Form, das Gutachten sollte aber von einer heilpädagogischen Fachkraft verfasst werden.
FAQ Wohnformen für Geflüchtete mit Behinderung
Inzwischen gibt es in Deutschland ein sehr differenziertes System von Wohnformen und -angeboten für Menschen mit Behinderung. Heutzutage werden sie den Bedürfnissen dieser Menschen oft gerechter als noch vor wenigen Jahrzehnten. Einen Überblick über die Wohnformen finden Sie hier.
Wenn die EAE nicht barrierefrei ist, sollten Sie für Ihre*e Kund*in einen Antrag auf Umzug in eine geeignete Unterkunft stellen. Je nach Bundesland sind gegebenenfalls unterschiedliche Behörden für den Antrag zuständig. Während der Coronapandemie gilt: Weil viele Menschen mit Behinderung zu Risikogruppen gehören, sollten Sie in diesen Fällen sofort einen Antrag auf Umzug stellen. Mehr Informationen und einen Musterantrag finden Sie hier.
FAQ Sozialleistungen und Schwerbehindertenausweis
Die Feststellung einer Schwerbehinderung kann zu Minderwertigkeitskomplexen führen. Deshalb sollte eine Antragstellung erwogen und begleitet werden. Jedoch überwiegen die Vorteile einer amtlich festgestellten Schwerbehinderung.
Entgegen der verbreiteten Annahme muss ein Schwerbehindertenausweis nicht zwingend vorgelegt werden. Ob ihn Betroffenen zum Beispiel ihren Arbeitgeber*innen, bei Theaterbesuchen oder Behörden zeigen, bleibt ihnen selbst überlassen – es gibt keine Offenbarungspflicht. Jedoch lohnt sich die Nutzung des Ausweises oft, da damit zahlreiche Vergünstigungen verbunden sind. Sie führen für Menschen mit Behinderung, die durch ihre Einschränkungen ohnehin finanziell gefordert sind, in vielen Fällen zu einer spürbaren finanziellen Entlastung.
Eine Schwerbehinderung liegt ab einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 vor. Unter Umständen können Menschen mit einem GdB von 30 aber Menschen mit einem GdB 50 gleichgestellt werden. Dann profitieren sie von den Gdb-50-Leistungen in vermindertem Umfang. Bei der Anerkennung ihrer Schwerbehinderung erhalten die Betroffenen Zugang zu Leistungen, die man beantragen kann. Je nach GdB gibt es verschiedene Leistungen.
Hier finden Sie eine Übersicht über Nachteilsausgleiche nach GdBs.
Die Erkrankungen und Einschränkungen werden bei der Bestimmung des GdB nicht addiert. Vielmehr wird eine Gesamtbeurteilung des Falls erstellt, die sich im GdB niederschlägt. Möglicherweise wird im ersten Antragsverfahren die kritische Schwelle von 30 beziehungsweise 50 nicht überschritten, dann aber lohnt sich in vielen Fällen ein Einspruch. Kann kein Schwerbehindertenausweis beantragt werden, gibt es andere Arten von Nachteilsausgleichen, für die kein Ausweis benötigt wird.
Die Arten von Nachteilsausgleichen müssen Sie Ihren Kunden*innen erklären, da die Anspruchsleistungen je nach Grad der Behinderung unterschiedlich sind. Je nach Fall gibt es:
- verbesserten Kündigungsschutz
- Sonderurlaub
- vergünstigte Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln
- Parkausweise und
- Ähnliches
Diese Leistungen werden jedoch nicht automatisch bewilligt: Parkausweise für Behindertenparkplätze etwa werden nur unter bestimmten Voraussetzungen vergeben und nicht an alle Schwerbehinderte. In vielen Herkunftsländern erhält man bei der amtlichen Feststellung einer Behinderung eine Rentenzahlung. Dies ist in Deutschland nicht unmittelbar der Fall, was oft zu Missverständnissen führt.
Eine Antwort darauf ist komplex. Zwar steht in Stellenbeschreibungen oft, dass Bewerber*innen mit Schwerbehinderung bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt werden, jedoch stimmt das nicht immer. Oft führt die Offenbarung von Erkrankungen und Behinderung bei Nichtbetroffenen zu großer Verunsicherung. Deshalb können Bewerber*innen, bei denen die Einschränkung nicht unmittelbar ersichtlich sind und die keine Lücken im Lebenslauf haben, die durch Behinderung oder Krankheit verursacht wurden, davon profitieren, eine Behinderung bei der Bewerbung nicht anzugeben. Nach der Einstellung und Probezeit können Betroffene den Schwerbehindertenausweis immer noch in der Personalabteilung abgeben.
Über das Vorliegen einer Behinderung besteht Schweigepflicht: Die Fachabteilung oder Vorgesetze dürfen darüber nicht informiert werden. Eine Ausnahme darf nur dann gemacht werden, wenn die angestrebte oder ausgeübte Tätigkeit durch eine Erkrankung oder Behinderung stark eingeschränkt oder unmöglich ist. Zum Bespiel: Ein*e Kraftfahrer*in ist stark sehbehindert. Als Bewerber*in oder Arbeitnehmer*in muss er oder sie Arbeitgeber*innen über die Einschränkung informieren.
Die Antragstellung unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland nur geringfügig. Am einfachsten ist es, wenn Sie bei einer Onlinesuche „Antrag Schwerbehindertenausweis + Bundesland + Wohnort“ eingeben, um das richtige Antragsformular zu finden.
Für Berater*innen ist es leicht, den Antrag auszufüllen. Dem Formular sollten ärztliche Gutachten, Fachärzt*innenbriefe, Entlassungsberichte des Krankenhauses und Ähnliches beigelegt werden. Gutachten aus dem Herkunftsland sollten übersetzt werden. Auch eine persönliche Erklärung über den Umfang und die Art der Einschränkungen kann sinnvoll sein, da die medizinischen Unterlagen möglicherweise nicht alle Beschwerden beschreiben.
Sich den Antragseingang von der Behörde bestätigen zu lassen, lohnt sich.
einfach teilhaben bietet Ihnen einen sehr guten Überblick über die Antragstellung.
Einen Antrag für den Schwerbehindertenausweis in einer anderen Sprache gibt es nicht. Allerdings gibt es Informationen in Leichter Sprache, zum Beispiel vom niedersächsischen Landesamt für Soziales, Jugend und Familie.
Das Land Hamburg hat eine Broschüre in Leichter Sprache veröffentlicht, die in der Beratung eingesetzt werden kann.
Einrichtungen und Institutionen, die Menschen mit Behinderung beraten und begleiten, sind vielfältig. Sie unterscheiden sich nach Regionen und Trägern. Große Träger sind unter anderem Caritas, Diakonie und Mitglieder des paritätischen Wohlfahrtsverbands und zum Beispiel die Lebenshilfe.
Im Jahr 2018 wurden bundesweit „Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatungsstellen (EUTB)“ für Menschen mit Behinderung eingerichtet. Sie informieren über das Angebot vor Ort, die Adressen finden sich hier.
FAQ Spracherwerb
Solche Kursangebote gibt es nur für Menschen mit Hör- und Sehbehinderung. Sie werden meist von Trägern durchgeführt, die auf Bildungsangebote für Menschen mit Hör- oder Sehbehinderung spezialisiert sind. Neben der Sprache sollen die Teilnehmenden spezifische Kenntnisse erwerben, zum Beispiel die Brailleschrift oder den Umgang mit Hilfsmitteln. Die Kursbedingungen unterscheiden sich von denen anderer Integrationskurse:
- Die Gruppen sind kleiner.
- Die Kurse laufen für einen längeren Zeitraum.
Die Kurse werden weder flächendeckend noch regelmäßig angeboten.
Für mobilitätseingeschränkte Personen sind die Integrationskurse der üblichen Bildungsträger zum Teil barrierefrei.
Eine Übersicht zu allen Anbieter*innen von Integrationskursen finden Sie hier.
Um das Thema Sprachmittlung geht es hier.
Zum Beispiel in Berlin, Bremen und Oldenburg gibt es einige wenige regionale Angebote für Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Dies sind jedoch lediglich Sprachlernangebote. Für Menschen mit Lernschwierigkeiten gibt es bislang keinen Integrationskurs.
Menschen mit Behinderung können von der Teilnahme an einem Integrationskurs befreit werden, sofern sie an einem regulären Kurs nicht teilnehmen können. Diese Regelung ist jedoch nicht im Interesse der Inklusion geflüchteter Menschen mit Behinderung.
In Einzelfällen kann eine Schulbegleitung beantragt werden. Sie muss wohlbegründet sein und kann unter Verweis auf höherrangiges Recht erfolgen (Konkrete Handlungsoptionen für geflüchtete Menschen mit Behinderung und deren Berater*innen). Handicap International kennt allerdings keinen Fall, in dem eine Assistenz beantragt wurde. Ob ein Antrag Chancen auf Bewilligung hat, ist uns daher unklar.
Für Menschen mit Behinderung gibt es kein flächendeckendes Angebot an Integrationskursen. Jedoch übernimmt das BAMF die Reise- und Unterbringungskosten zu den Orten, an denen Kurse für hör- und sehbehinderte Geflüchtete stattfinden – auf Antrag. Den Antrag finden Sie hier.
FAQ Sprachmittlung
Hierzu gibt es eine klare Antwort: die beratende Fachkraft. Unterstützung bieten in vielen Regionen Sprachmittler*innenpools. Die Finanzierung einer Sprachmittlung ist regional sehr unterschiedlich geregelt.
Die Kostenübernahme kann beantragt werden. Dazu können Sie den Einzelfall darlegen und auf höherrangiges Recht verweisen. Je nach Aufenthaltstitel erfolgt die Kostenübernahme
- nach SGB XII und II,
- § 6 Asylbewerberleistungsgesetz oder
- durch die gesetzliche Krankenversicherung.
Mehr Informationen im Roadbox-Abschnitt „Die einzelnen Sozialleistungen für Migrant*innen mit Behinderung“.
Zu den Leistungen bieten wir Ihnen im Roadbox-Abschnitt „Sprachmittlung“.
In vielen Regionen gibt es Sprachmittler*innenpools. Sie ermöglichen den niederschwelligen Einsatz kultursensibler Sprachmittler*innen, das heißt, sie sind in Sprachmittlungstechniken geschult und übersetzen kultursensibel. Über das deutsche Bildungs- und Sozialsystem sind sie informiert.
Meist übernehmen Sprachmittlungsangebote weder das Dolmetschen bei Gericht oder bei der Aufklärung von Patient*innen durch medizinisches Personal. Der Grund dafür ist, dass ihr Training nicht der Ausbildung zur*zum Dolmetscher*in entspricht.
Beispiele für Sprachmittler*innenpools:
Ob bei einer Patient*innenaufklärung vor einer Operation oder vor Gericht – hierbei dürfen nur Dolmetscher*innen übersetzen. Sie müssen viele Anforderungen erfüllen. Vorliegen muss
- eine erfolgreich absolvierte Ausbildung und Prüfung an einer anerkannten Ausbildungsstätte,
- interkulturelle Kompetenz,
- Dolmetschtechniken und
- die Vereidigung bei Gericht.
Dolmetscher*innen vor Ort findet man unter anderem über den Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer.
FAQ Selbsthilfe, Empowerment und Selbstvertretung
Die zahlreichen Selbsthilfe- und Selbstvertretungsangebote für Menschen mit Behinderung sind häufig nach Art der Beeinträchtigung strukturiert. Sie bieten die Möglichkeit, sich vor Ort, aber auch als Interessenvertretung auf Bundes-, Länder- und häufig auch kommunaler Ebene zu engagieren. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (BAG) hat dazu umfassende Informationen zusammengestellt.
Es gibt aber auch Selbsthilfegruppen, die behinderungsartenübergreifend arbeiten. NAKOS bietet eine Suchfunktion zu Angeboten vor Ort und der Paritätische Wohlfahrtsverband unterhält in vielen Regionen Selbsthilfezentren.
In vielen Kommunen gibt es Inklusions- beziehungsweise Inklusionsbeiräte. Sie vertreten die Interessen von Menschen mit Behinderung vor Ort. Diese Beiräte und die Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) können bei der Suche nach Angeboten für und mit Menschen mit Behinderung helfen. Die EUTB in Ihrer Region finden Sie hier.
Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund sind in den vorwiegend herkunftsdeutschen Selbsthilfegruppen für Menschen mit Behinderung selten aktiv. Ein wichtiger Grund dafür sind Sprachbarrieren und die mangelnde Bekanntheit der Angebote.
Von und für geflüchtete Menschen mit Behinderung gibt es bisher nur wenige Selbsthilfe-Initiativen. Das Projekt Empowerment Now von Handicap International baut erstmals regionale und bundesweite Selbstvertretungsstrukturen von und mit geflüchteten Menschen mit Behinderung auf.
Ob und in welchem Maße sich geflüchtete Menschen mit Behinderung in den zahlreichen Selbsthilfeorganisationen von Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund engagieren, dazu liegen bisher keine Erkenntnisse vor.
Wichtig ist eine Klärung vorab: Welche Erwartungen an eine Vernetzung bestehen? Geht es um den Austausch von Erfahrungen, um Informationen oder um eine Interessenvertretung? Wie soll der Grad der Vernetzung sein? Eine Checkliste von Handicap International zum Thema Selbsthilfe gibt es hier, eine Checkliste zum Thema Selbstvertretung gibt es hier.
Die Selbsthilfekontaktstellen des paritätischen Wohlfahrtsverbands, beraten bei der Vernetzung und Gründung von Selbsthilfegruppen ebenfalls.
Geflüchtete Menschen mit Behinderung und/oder deren Angehörige können selbstverständlich in der Selbsthilfe beziehungsweise in der Selbstvertretung aktiv sein. Wichtig ist ein Überblick über die Angebote vor Ort, eventuell hilft die Information über entsprechende Angebote und die Begleitung zum ersten Treffen, um Schwellenängste abzubauen. Ob eine Mitgliedschaft in einem Verein notwendig ist, entscheidet sich nach dem Organisationsgrad der Angebote vor Ort, in der Regel steht auch bei Vereinen eine Mitgliedschaft erst nach mehreren Besuchen an.